Inhaltliche Kurzübersicht: Die Vorprozessarbeit zur Strukturaufstellung hilft Bernd, sich mit seiner Rolle in der Familie und im Betrieb auseinanderzusetzen. Er erkennt unbewusste Konflikte, die mit seiner Berufsentscheidung, familiären Erwartungen und Loyalitätsgefühlen zusammenhängen. In der Familienstrukturaufstellung werden für Bernd zentrale Einflüsse sichtbar, Blockaden gelöst und neue Perspektiven eröffnet. Durch den Prozess gewinnt er mehr Klarheit über seinen Platz in der Familie und seinen Umgang mit beruflichen und persönlichen Themen.
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Im letzten Blogbeitrag ging es um die Paarberatung von Anja und Bernd mit SySt®-Elementen (siehe hier: Link).
Heute kannst du bei Bernds Familienstrukturaufstellung in der Gruppe dabei sein.
Vorab ein wichtiger Hinweis: Die Namen von Personen sowie die dargestellten Situationen und Begebenheiten sind so gewählt, dass sie die Abläufen in der SySt®-Praxis realitätsnah widerspiegeln, ohne jedoch Rückschlüsse auf reale Personen oder Geschehnisse zu ermöglichen. Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen oder Ereignissen sind daher rein zufällig.
Bernd leitet seit einem Jahr das Familienunternehmen, einen traditionsreichen Gasthof in dritter Generation. Der Betrieb wurde von seinen Großeltern gegründet und von seinen Eltern weiter ausgebaut. Nach dem gesundheitlichen Rückzug seines Vaters übernahm Bernd die Leitung. Bernds Mutter, seine Frau Anja und sein älterer Bruder, der aufgrund eines Unfalls eingeschränkt ist, helfen im Betrieb.
Bernd fühlt sich stark belastet und ist oft unsicher, ob er den richtigen Weg geht. Die familiären Erwartungen setzen ihm zu, und es gibt Konflikte mit Anja, die zuletzt Gegenstand einer Paarberatung mit SySt®-Elementen waren. Die Beratung brachte positive Veränderungen für das Paar – und sie führte unter anderem dazu, dass Bernd sich intensiver mit seiner Herkunftsfamilie auseinandersetzen möchte. Eine Familienstrukturaufstellung in der Gruppe erscheint ihm dafür als geeigneter Weg.
Ein bis zwei Wochen vor der Gruppenaufstellung führe ich mit Bernd – wie mit jeder Person, die ein Anliegen aufstellen möchte – ein ausführliches Gespräch zum Thema. Dabei klären wir die Ausgangssituation, formulieren Ziele und entwickeln erste Lösungsschritte. Wichtige Einflussfaktoren fließen mit ein, sodass ein „roter Faden“ für die Strukturaufstellung entsteht.
Da dieser vorbereitende Ablauf weit über ein gewöhnliches Gespräch hinausgeht und wichtige Entwicklungsimpulse setzt, nenne ich ihn Vorprozessarbeit.
Am Aufstellungstag findet ein weiteres persönliches Vorgespräch abseits der Gruppe statt. Wir greifen das Anliegen erneut auf, passen die Ziele an und bestimmen die relevanten Aufstellungselemente.
Die anschließende Strukturaufstellung erfolgt meist inhaltlich verdeckt, sodass die Gruppe wenig bis gar nichts über den Inhalt der Aufstellung erfährt.
Bernds Thema:
In der Vorprozessarbeit wird Bernd bewusst, was ihn unterschwellig schon lange beschäftigt, er aber nie auszusprechen wagte: Er fühlt sich in den Beruf des Gastwirts und in die Übernahme des Familienbetriebs hineingedrängt. Dabei übt er seine Tätigkeit mit Freude und Erfolg aus und möchte die lehrreiche Ausbildung im In- und Ausland nicht missen.
Außerdem fühlt er sich dem Familienbetrieb verpflichtet. Seine Großeltern flohen einst nach Österreich und bauten hier mühsam eine kleine Gaststätte auf, die seine Eltern später zu einem erfolgreichen Unternehmen machten. Bernd ist ihnen dankbar, hadert aber mit dem Gefühl, keine Wahl gehabt zu haben, weil sein älterer Bruder als Nachfolger ausfiel. Er glaubt, dass er sich nicht anders entscheiden hätte können, ohne die Familie zu enttäuschen.
Gleichzeitig fragt sich Bernd: Was wäre geschehen, wenn er seinen ursprünglichen Berufswunsch verwirklicht hätte und Biologielehrer geworden wäre? Er ist überzeugt, dass ihn dann Schuldgefühle gegenüber seiner Familie und seinem Bruder begleitet hätten.
Im Gespräch erwähnt Bernd weiters, dass das erste Kind seiner Eltern, ein Mädchen, kurz nach der Geburt starb.
Bernds Ziel:
Bernd will seine Herkunftsfamilie aufstellen, um „seinen Platz“ im Familiensystem zu finden und mit mehr Leichtigkeit im Familienunternehmen zu wirken. Weiters möchte er sich innerlich von seinem nicht gewählten Berufsweg lösen, um freier und energiegeladener im Gastbetrieb zu arbeiten.
Bevor Bernds Familienstrukturaufstellung beginnt, werfen wir einen kurzen Blick auf einige historisch bedeutsame Elemente dieser Methode – so lässt sich ihr Hintergrund besser verstehen:
Eine detaillierte Analyse der genannten Prinzipien würde den Rahmen dieses Textes sprengen und dich vermutlich eher verwirren als weiterbringen. Deshalb konzentriere ich mich hier auf einige zentrale Aspekte, die sich in Bernds Anliegen zeigen – selbstverständlich heuristisch betrachtet und mit Bezug zur kontextuellen Therapie nach Böszörményi-Nagy. So bekommst du einen ersten Einblick in die Leitgedanken einer Familienstrukturaufstellung:
Du ahnst jetzt sicher, welche Hypothesen meine Arbeit mit Bernd leiten. Diese sind:
Nun sind Hypothesen generell keine Wahrheiten, sondern unbewiesene Annahmen, die auf der individuellen Realitätskonstruktion der Person basieren, die sie aufstellt – in diesem Fall auf meinen Ableitungen aus dem heuristischen Prinzipienverständnis. Daher werden Hypothesen im SySt®-Verfahren stets auf ihre Stimmigkeit bei den Klientinnen und Klienten überprüft.
Du wirst sehen, dass meine Hypothesen eine hilfreiche Grundlage für Leitung der SySt® waren, aber nicht immer bestätigt wurden.
Vor Beginn der Strukturaufstellung in der Gruppe spreche ich noch einmal in einem Extraraum mit Bernd, um Entwicklungen in seinem Anliegen zu erfragen und zu berücksichtigen.
Beim Geschwisterthema erwähnt Bernhard heute nebenbei, dass er vorgeburtlich einen Zwilling hatte, der in den ersten Monaten abging. Da er das aber als nicht relevant für sein Anliegen betrachtet, möchte er den ungeborenen Zwilling in der Familienstrukturaufstellung nicht repräsentieren lassen.
Das Ziel der Familienstrukturaufstellung bleibt unverändert, und am „roten Faden“ nehmen wir noch kleine Anpassungen vor. Dann legen wir gemeinsam die Elemente fest, die durch Repräsentantinnen und Repräsentanten dargestellt werden. Ich notiere sie in der Gruppe auf einem Flipchart:
Bernds Familienstrukturaufstellung zeigt, dass wir mit Repräsentierenden effektiv arbeiten können, ohne dass sie seine Geschichte oder sein Anliegen kennen – und dass abstrakte Elemente individuell wirken, ohne deren Bedeutung zu verstehen. So musste Bernd weder Inhalte preisgeben noch alles rational erfassen, was es ihm erleichterte, sich auf die repräsentierende Wahrnehmung einzulassen.
Im Nachgespräch berichtet Bernd, dass es geschäftlich zwar weiterhin herausfordernd ist, sich familiär aber vieles positiv entwickelt – mit ersten Auswirkungen auf das Berufliche.
Für diesmal sind wir am Ende angelangt – ich hoffe, Bernds Familienstrukturaufstellung hat dir einen spannenden Einblick in die vielseitige SySt®-Arbeitsweise gegeben!
Beim nächsten Mal kannst du Anjas SySt® zur Patchworkfamilie erleben. Bis bald!
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Boszormenyi-Nagy Ivan & Geraldine M. Spark:
Hellinger Bert:
Sparrer Insa:
Insa Sparrer Insa & Matthias Varga von Kibéd:
Ludewig Kurt:
Vorhemus Ursula:
Weber Gunthard: